Ausbildungsmarkt 2024: Gute Azubis müssen heute digital rekrutiert werden
Immer weniger geeignete Kandidatinnen und Kandidaten, immer mehr unbesetzte Stellen: Angesichts des demografischen Wandels wird die Ausbildungslücke in Deutschland zunehmend größer. Um geeigneten Nachwuchs zu finden, müssen gerade mittelständische Firmen ihr Recruiting überdenken und vor allem digitalisieren, rät Gastautor Tobias Dietze, Geschäftsführer des Personaldienstleisters DIEPA GmbH.
Im Sommer strömen die neuen Auszubildenden in die Betriebe, Werkstätten und Fabriken. Strömen? Zugegeben, in den vergangenen Jahren ist der Zustrom an jungen Talenten in vielen Regionen Deutschlands zwar nicht versiegt, doch gehörig ins Stocken geraten. Der Hauptgrund dafür liegt vor allem in der Demografie: Das Reservoir an jungen Menschen, das für eine Ausbildung noch zur Verfügung steht, sinkt seit Jahren. Und es wird in den kommenden Jahren weiter zurückgehen. Verschärfend kommt hinzu, dass in den nächsten Jahren die Boomer-Generation aus dem Arbeitsmarkt ausscheidet – und damit Industrie und Handwerk vor große Herausforderungen gestellt werden.
Fast 70.000 Stellen blieben bereits 2022 unbesetzt – Tendenz steigend
Ein Blick auf die Zahlen aus 2022 zeigt, wie ernst mittlerweile die Lage ist: Im vergangenen Jahr ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im dualen System im Vergleich zum krisengeschüttelten Pandemie-Vorjahr 2021 auf rund 475.000 nur minimal gestiegen. Besonders der Vergleich zum Ausbildungsniveau vor der Pandemie zeigt, wie sorgenerfüllt mittlerweile die Lage ist: Verglichen mit 2019 sank die Zahl der Ausbildungsverträge bis 2022 um rund zehn Prozent. Die Zahl der unbesetzten Stellen stieg 2022 um fast neun Prozent auf fast 69.000.
Es gehört wenig Prophetengabe dazu, um vorherzusagen, dass auch 2023 und im bald beginnenden Ausbildungsjahr 2024 die Zahlen ähnlich herausfordernd werden. Gerade mittelständische Unternehmen, die ihren Hauptsitz nicht in einer der sieben deutschen Großstädte Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, München, Stuttgart, Köln oder Düsseldorf haben, müssen innovative Strategien entwickeln, wie und wo sie guten Nachwuchs für ihre Betriebe gewinnen können.
In einer aktuellen Studie haben wir den Ausbildungsmarkt 2024 genauer unter die Lupe genommen – und dabei besonders die Herausforderungen für Recruiter beleuchtet. Ein Punkt wurde bei der Befragung der Ausbildungsexperten dabei überdeutlich: Es führt heute kein Weg mehr am digitalen Recruiting vorbei. Die Umfrageergebnisse unterstreichen die Bedeutung von digitaler Präsenz und der Anpassung von Ausbildungsprogrammen, um die junge Generation effektiv anzusprechen und auszubilden. DIEPA GmbH empfiehlt Unternehmen daher, ihre Rekrutierungsstrategien zu modernisieren und ein umfassendes Betreuungsangebot während der Ausbildung zu gewährleisten, um sowohl Auszubildende als auch Unternehmen optimal zu unterstützen.
DIEPA-Umfrage: Firmen suchen vor allem verlässlichen Nachwuchs
An der umfangreichen Befragung haben 29 Unternehmen teilgenommen. Die Ergebnisse der Umfrage erlauben tiefgreifende Einblicke, die sowohl für uns als Dienstleister als auch für die beteiligten Unternehmen von hohem Wert sind. Eine deutliche Mehrheit der Befragten plant, im neuen Ausbildungsjahr zwischen ein und fünf Auszubildenden einzustellen. Diese Information ist nicht nur für Dienstleister wie uns relevant, sondern auch für die Ausbildungsplanung und -strategie der Unternehmen selbst. Untersucht und befragt wurde auch, nach welchen Kriterien Unternehmen auswählen und sich für bestimmte Bewerberinnen und Bewerber entscheiden. Dabei zählen auch im digitalen Zeitalter vermeintlich alte „preußische Tugenden“: Zuverlässigkeit, Sorgfalt sowie Lern- und Leistungsbereitschaft. Diese Kompetenzen, gefolgt von Selbstständigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Belastbarkeit, bilden die Grundlage für eine erfolgreiche Ausbildung und spätere Karriere.
Klar ist aber auch, dass nicht jeder und jedem diese Werte von Beginn an in die Wiege gelegt sind. Gleichwohl lässt sich auch an diesen Fähigkeiten arbeiten. Mit anderen Worten: Angesichts der demografischen Schere, die sich am Arbeitsmarkt immer mehr öffnet, müssen sich Unternehmen vermutlich häufiger für die 1b-Lösung entscheiden. Und danach alles daransetzen, etwaige Defizite gemeinsam mit dem jungen Menschen anzugehen. In die Förderung dieser Fähigkeiten lässt sich mit einer klaren Strategie investieren.
Die Herausforderungen, die Unternehmen im Recruiting von Auszubildenden sehen, sind vielschichtig. Das reicht von der Schwierigkeit, überhaupt in einer Region qualifizierte Azubis zu finden, über Zeit- und Ressourcenbeschränkungen bis hin zu gestiegenen Anforderungen an die Azubis selbst. Auf den ersten Blick überraschen mag, dass nach Ansicht vieler Unternehmen die Digitalkenntnisse der jungen Menschen optimierungsfähig sind – ein Handy zu bedienen ist eben immer noch etwas anderes als einen kleinen Code selbst programmieren zu können für eine Werkzeugmaschine oder der saubere Umgang mit einem Tabellenkalkulationsprogramm am Computer.
Klare Empfehlung für mehr digitale Präsenz von Unternehmen und ihren Ausbildungsangeboten
Besonders häufig zu hören war in der Befragung auch der Wunsch, bestimmte Berufsbilder bekannter und vor allem attraktiver zu machen und darzustellen. Das gilt vor allem für viele handwerkliche Berufe. Allein werden das viele Betriebe nicht schaffen. Dies spiegelt den Bedarf an externer Expertise und innovativen Ansätzen im Einstellungsprozess wider.
Um die junge Generation potenzieller Auszubildender bestmöglich zu erreichen, ist es essenziell, die eigene Online-Präsenz auf den Plattformen, wo sich die Zielgruppe tummelt, zu verstärken und Einblicke in den Arbeitsalltag authentisch und transparent zu gestalten.
Gleichermaßen wichtig ist die klare Kommunikation der Bedeutung und Werte individueller Ausbildungsprogramme.